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..lecker…

Am Anfang war das Daumenkino… dass sich nun in die Ecken dieses Buches gesetzt hat…und das entstand nach der Gedicht-Miniatur „unmögliche menschenfresser fantasie“. Damit war das Thema auf dem Tisch. Menschenfresser. Wer kennt sie nicht? Diese unsichtbaren, kaum greifbaren Menschen fressenden, oder zumindest am Menschen nagenden Wesen ohne Körper? So haben wir hier den Versuch unternommen, diesen ein Gesicht zu geben, sie zu greifen, zu umschreiben und zu umzeichnen. Jede in der ihr zur Verfügung stehenden Sprache und Form: Etta hat sich, so wie sie es meistens tut, der lyrischen Form der Sprache bedient und Texte geschrieben. Rebecca hat sich aufgemacht und ist zu den Menschen gegangen, um diese und ihre ganz persönlichen Menschenfresser zu zeichnen. Und da ist es nun: etwas was man in die Hand nehmen kann und solange betrachten, wie man will… menschenfressereins – der Anfang einer Entlarvung der alltäglichen Menschenfresserei…

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Vorwort

leckerMenschenfresserei

Seit kurzem besitze ich ein Lexikon der Tabus. Es ist ein bisschen abgegriffen, hab es second hand erstanden. Drinnen steht etwas zu Kannibalismus. Es liest sich ganz gut, wenn man aber drüber nachdenkt, will man’s nicht gelesen haben. Das Werk der Menschenfresser, von zweien, die unter dieser Flagge segeln, liegt hier in Leserhänden nun. Und das ist gut so. Rebecca Blöcher hat die Hostien des christlichen Ritus, also das Teigplättchen, das nach Wandlung „das Zeug“ zum Leib Christi hat, akribisch bearbeitet, betextet, als besondere Textfläche erkannt, denn wenn schon Leib, dann gleich die ganze Haut einfärben, tätowieren, ihr die Härchen aufstellen. Und dieses sprechende Rund korrespondiert mit den zarten, harten, unaufgeräumten Zeilen der Lyrikerin, der Sprecherin, Bühnenakteurin Etta Streicher.  Zusammen fangen sie seismographisch die Weltnervosität ein. Es schwimmt um sie, die Welt ist unruhig. Ein Eingehen in die Sprache bietet Stabilisatoren. Streichers deklamatorische Texte, die ein Wortfeld zur Gänze beackern und dann auch durch die genauer und noch genauer werdende Versverknüpfung nehmen einen mit. Aber erhalten muss man sich selbst in dieser Erdbebenlandschaft voller Zeichnungen, die von tröstlich zu verstörend schwanken.

Ich kenne Etta aus grauer Vorzeit der Slam-Bewegungen (das soll an dieser Stelle ruhig bewusst klingen wie Schlammbewegungen, denn wir waren Ur-! und sind nun …weiter), in denen sie schon damals eine exzentrische, exotische, schöne Frau mit ebensolcher Stimme war, die Texte präsentierte, die Messerschärfe und Seidenzartheit besaßen und Relevanz sich oft dazwischen fand, wenn sie den Augenaufschlag dem Wort hinzufügte. Etta Streicher verlangt es ihren Lesern ab, sich Texte wie kleine Mundopern selbst aufzuführen. Sie glaubt an Sie! Etta Streicher glaubt daran, dass Sie das vermögen – sich mit ihren Texten über ihre Texte unterhalten zu können. Der erste kluge Schritt ist ja getan: Sie sind irgendwie an dieses Kombinationswerk gelangt und sein Name nebst dem in ihm abgebildeten Prozess der Menschenfresserei, der schreckt Sie nicht. Rebecca Blöcher und Etta Streicher haben sich gefunden und bewegen sich leidenschaftlich an den flirrenden Rändern der Grauzonen, der Tabus entlang. Sie machen mir beide ein bisschen Angst, so gut machen sie das. Seit kurzem besitze ich einen Lyrikband voller Tabus. Er ist ganz neu und noch heil, hab ihn im Laden extra bestellt. Drinnen steht etwas zu Kannibalismus. Es liest sich ganz gut, wenn man aber drüber nachdenkt, will man’s immer und immer wieder lesen.

Nora Gomringer – September 2015

nora-gomringer.de/

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Jedes Buch wird mit einem Stempel und einer Nummer versehen. Insgesamt gibt es 1.068 Exemplare.

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